Axel Anklam

"Meine Arbeiten entstehen immer aus einer Kontinuität heraus. Auch wenn sie formal oder von der Materialität her etwas ganz anderes aussagen, haben sie doch alle miteinander zu tun."
Axel Anklam erhielt den Großen Kunstpreis Berlin 2017 der Akademie der Künste Berlin in der Kategorie "Bildende Künste". Seine Werke sind Teil der Frisch Kunstsammlung in Berlin. Verschiedene Publikationen und Ausstellungen dokumentieren seine besondere Einzigartigkeit und den großen Erfolg, den er mit seinen Kreationen hatte. Axel Anklam verstarb im Januar 2022.
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29 P Ausbildung

23 P Arbeit

24 P Aussagekraft

Wer bist du?

Ich bin Axel Anklam. Ich beschäftige mich mit Bildhauerei und mit mir selbst, so wie wir uns alle mit uns selbst beschäftigen. Dies schlägt sich auch in meiner Arbeit nieder, aber nicht so dass ich das beeinflussen könnte. Wenn ich etwas abgeschlossen habe stelle ich manchmal am Ende fest, dass ein grosser Teil von dem, was ich bin, sich in meiner Arbeit widerspiegelt. Das ist ein Prozess, den ich nicht direkt beeinflussen kann und will.

Wie gehst du bei deiner Arbeit vor?

Das ist ein Stück weit wie der Versuch einer Einordnung, eines sich «Verordnens» in der eigenen Welt. Ich spiele beispielsweise oft damit, dass ich mir eigene Denkmuster zurechtlege, anhand derer ich meine Arbeit dann entwickle. Ich stelle mir sozusagen meine eigenen Spielregeln auf, und das nicht nur aus einem Selbstverständnis oder einer Selbstbeschäftigung heraus, sondern eigentlich, um darüber ein Stückweit meine Umwelt und mich selbst zu erkennen.

Worum geht es in deinen Arbeiten?

Meine Arbeiten drehen sich zum grossen Teil um die Entwicklung eines eigenen Standpunktes. Diese Entfaltung lässt mich abwägen, was an Aussenwahrnehmung auf mich einstürzt und wie ich diese zu werten und einzuordnen habe. Es sind nicht irgendwelche gestischen Momente und Formen, die aus dem Bauch herauskommen, sondern sie hangeln sich an einer Idee entlang. Es geht darum, Ordnung in das vermeintliche Chaos, das mich umgibt, und in das ich mich gefühlsmässig hineinbegebe, zu bringen. Mit Chaos beziehe ich mich auf meine Versuche, die Welt und die in ihr vorhandenen Probleme zu erklären. Ich versuche die Komplexität ein Stück weit transparenter zu machen.

Wie entstehen deine Arbeiten?

Meine Arbeiten entstehen immer aus einer Kontinuität heraus. Dahinter gibt es einen Prozess. So wie man auch nicht von heute auf morgen anfängt Versicherungsvertreter oder Bäcker zu werden. Die gleichen Bedingungen spielen bei mir mit ein, wenn ich ein Kunstwerk beginne. Das heißt, davor gab es eine Geschichte, mit der ich mich beschäftigt habe und die eine Frage ergeben hat, welche meine Arbeit beeinflusst. Aber dieser Prozess ist alles andere als gradlinig. Es funktioniert so, dass ein Gedankenkomplex aufgegriffen wird, der sich über längere Zeit entwickelt und zu einer Idee geführt hat, die man auf einmal weiterentwickeln kann. Ich kann es nicht über Nacht einfach festlegen.

Was bedarf es, um mit einer Arbeit zu starten?

Ein Arbeitsbeginn erfordert immer einen Impuls. Dieser Impuls ist nicht direkt herbeiführbar, aber man kann das Feld vorbereiten, auf dem er entsteht. Dieses Feld kann man sich so vorstellen, dass ich mich in einer Gedankenwelt zu Hause befinde und dass aus dieser Selbstverständlichkeit heraus die Idee entsteht, ein Werk zu beginnen. Wenn dieser Impuls gegeben ist passiert meistens etwas sehr Simples: ich greife auf die Dinge zurück, die mich schon umgeben und entwickle sie weiter. Das heißt, die einzelne Arbeit ist nicht der vermeintlich große Wurf, sondern gebiert sich aus einer Kontinuität heraus. Aus Arbeiten, die zuvor entstanden sind. Auch wenn die Arbeiten formal oder von der Materialität her etwas ganz anderes aussagen, haben sie doch alle miteinander zu tun.

Woran erkennt jemand deine Arbeiten?

Das Erkennungsmerkmal ist im Grunde die «Nicht Formgleichheit». Meine Arbeiten haben einen Rhythmus, der unverkennbar ist, aber ich mache mir über diesen Rhythmus überhaupt keine Gedanken. Er spiegelt nur wider, dass meine Arbeiten aus einer Kontinuität heraus entstanden sind. Man recycelt letztendlich auch Gedanken und Ideen und setzt sie immer wieder neu zusammen.

Wie beschreibst du deine Individualität?

In dem Moment, in dem ich an meinen Arbeiten bin, habe ich ein gewisses Repertoire zur Verfügung. Dieses Repertoire umfasst einerseits meinen handwerklichen Umgang mit meinen Werkzeugen. Dieser ist antrainiert und vergleichbar etwa mit einem Musiker, der irgendwann nur noch die Töne hört und sie frei spielt. Mir passiert in umgekehrter Weise etwas Ähnliches, wenn ich bei der Arbeit den Umgang mit dem Material suche. Ich habe eine gewisse Vorstellung in welche Richtung es geht, aber dann verlasse ich mich sehr stark darauf, dass meine Motorik so ausgeprägt ist, dass ich spielerisch damit umgehen kann. Damit ich die Sachen in der Qualität umsetzten kann, in der ich sie haben will, bedarf es nicht nur einer klaren, formalen Vorstellung, sondern eben auch des Moments der Kontinuität des Arbeitens. Ich denke nicht mehr über die Arbeit als solche nach, sondern sie wird Teil dessen, was zum Ausdruck des Kunstwerkes wird.

Um eine Arbeit in der Qualität, wie ich sie mache, realisieren zu können, bedarf es einer langen Vorbereitung in Form von handwerklichen Fähigkeiten, die man sich aneignen muss. Ich glaube, das ist eins der Hauptmerkmale, die mich von anderen Herangehensweisen unterscheidet. Ich verlasse mich stark auf die handwerkliche Fähigkeit und die Vorstellung, Sachen umsetzen zu können. Ich verstehe mich da manchmal selbst nicht...

Warum wurdest du Künstler?

Es gibt für mich nicht so die große Idee, der ich total anhänge, alles unterwerfe und der ich hinterherrenne. Ich empfinde es eher als grosses Glück, sozusagen per Zufall eine Art Beruf gewählt zu haben, bei dem ich nicht vorhersehen konnte, dass er mir so viel Spass machen würde. Ich sehe das manchmal mit einem fast demütigen Blick, weil mich das ja «freistellt» im Gegensatz zu einem Angestellten, der jeden Tag in bestimmten Aufgabenfeldern festgebunden ist und diese Freiheit nicht so geniessen kann.

Ich merke, daß mir dieser Beruf jeden Tag zeigt, was man spielen kann und daß ich das auch tatsächlich jeden Tag frei spiele.

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Gibt es etwas, das dich beeinflusst?

Meine Gedankenwelt. Wenn man in meinen Kopf reinschauen könnte, wäre ich froh! Es gibt jedoch nicht die große Idee, der sich alles unterordnet. Es ist eher ein Schwimmen in diesem Moment des Spiegelbilds.

Es gibt einen Handlungsstrang, der alles miteinander verbindet. Von der Idee, die ich habe, gibt es eine Visualisierung im Kopf und während dieser entstehen schon die ersten Momente und Prozesse, um sie umzusetzen. Es gibt Materialien, die bestimmte Formen und Ausdruckstärken haben, wo ich weiß, ich kann sie benutzen, um eine Idee zu verfolgen. Es gibt einen unglaublichen Fächer an Möglichkeiten, Material zu bearbeiten und zu verwenden, ob man das nun synästhetisch angeht, oder es einfach von der Oberfläche her betrachtet und schaut: was «erzählt» das Material?

Als Beispiel: Ich habe ein Musikstück, das aus 4-5 Noten besteht und das ich gerne etwa in Form und Farbe umsetzen möchte. Dann gibt es den Moment in diesem Musikstück, der eine Stimmung verbreitet: «warm, rot, gelb» – es hat einen bestimmten Ausdruck. Das kann ich als eine Voraussetzung zur Wahl meiner Materialien und auch zur Wahl der formgebenden Mittel nehmen. Formgebende Mittel können alles Mögliche sein, eine Umrisslinie, ein 3-D Model, ein Stück Rad. Danach ergibt sich letztendlich die Wahl der Materialien und irgendwann mal ergibt sich daraus eine sehr konkrete Form, die immer noch an das Musikstück gebunden ist. Das hört sich etwas eigenartig an, aber es wird dann ganz konkret, weil man die einzelnen Töne auch in Längen ausdrücken kann. Man kann diese Längen nehmen, um sie in physischen Tönen wieder zusammenzusetzen. Darauf basieren viele meiner Arbeiten: Simple Notation wird aus der Musik in die Physis, die physische Bildwelt, übersetzt.

Wie beschreibst du deine Arbeitsschritte?

Meine Arbeitsschritte unterscheiden sich im Wesentlichen darin, ob ich mit Plastik oder Metall arbeite. Grundsätzlich beginne ich damit, eine Notation, die aus einer Ideenwelt entstanden ist, grafisch zu übersetzen. Im Falle der Blecharbeiten gibt es meistens eine Linie, in der eigentlich schon alles vorgegeben ist. Aber diese Linie als solche reicht nicht aus, um als Form wahrgenommen zu werden. Daher arbeite ich hier teilweise mit dem Computer. Die Linien werden eingescannt und zu DWX Dateien formatiert, die ich dann wiederum in Bleche schneiden lasse. Das ist ein hochindustrialisierter Prozess, der da stattfindet. Die entstandenen Blechformen kommen dann zurück zu mir in die Werkstatt. Hier fange ich dann an, sie mit meinen händischen Mitteln zu falten und zu biegen. Daraus entsteht etwas sehr Persönliches und Unverwechselbares.

Was macht dir bei deiner Arbeit am meisten Spass?

Wenn ich es schaffe, mich selbst zu überlisten, Dinge zu tun, die ich mir vorher verboten hatte, weil in dem Moment Dinge entstehen, mit denen ich nicht gerechnet habe. Es gibt die Tür, die sich öffnet und von der aus man weitergucken kann. Das gibt mir eine Freiheit, die ich mir sonst nicht zugestehe. Ich habe von Spiel geredet: Ein Spiel zu spielen ist tatsächlich gar nicht so einfach, weil man sich immer wieder selbst dabei hemmt, alles machen zu dürfen, denn in der Physis ist einfach nicht alles möglich. Die Physis schränkt einen ein. Im Geiste und in der Virtualität kann wahnsinnig viel erreicht werden. Aber letztendlich muss eine Skulptur stehen können sonst fällt sie um und liegt platt am Boden. Sie kommt nicht aus dem Materienkompiler sondern kommt dadurch zum Stehen, dass ich sie selber forme. Das ist der spannende Prozess in der Bildhauerei.

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